Forstkammer appelliert an Özdemir: Zeitliche Verschiebung und inhaltliche Korrektur notwendigBürokratiemonster Entwaldungsfreie Lieferketten
Stuttgart, 19.11.2024 – Der Präsident der Forstkammer Baden-Württemberg, Roland Burger, fordert Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dazu auf, dem Vorschlag des Europäischen Parlaments zur zeitlichen Verschiebung und inhaltlichen Korrektur der Europäischen Richtlinie zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) zuzustimmen. Die vom Parlament vorgeschlagene Einführung einer Null-Risiko-Kategorie biete jetzt die Chance, in Ländern ohne Entwaldungsrisiko wie Deutschland den massiven Aufbau überflüssiger und unwirksamer Bürokratie zu vermeiden. „In Baden-Württemberg hat die Waldfläche seit Mitte der 80er Jahre um 19.000 Hektar zugenommen“, so Burger. Ein Entwaldungsproblem sei für das Bundesland, genauso wie für die Bundesrepublik und etliche andere Länder klar zu verneinen. „Den 250.000 Waldbesitzern in Baden-Württemberg, die im Durchschnitt gerade einmal zwei Hektar Wald besitzen, trotzdem umfangreiche Nachweispflichten abzuverlangen und ein aufwendiges staatliches Kontrollsystem einzuführen, kann keine akzeptable Lösung sein“, so Burger.
Die Forstkammer bezieht sich auf eine Resolution des Landesforstwirtschaftsrats, dem Beirat des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums in dem neben der Forstkammer weitere Verbände der Land- und Forstwirtschaft sowie Naturschutzverbände und die forstlichen Wissenschaften vertreten sind. In der im Oktober einstimmig beschlossenen Resolution hatte sich auch der Landesforstwirtschaftsrat für zeitliche Verschiebung und Erleichterungen für Länder ohne Entwaldung ausgesprochen.
Ebenso wie die Forstkammer haben sich in den letzten Tagen der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband, Kommunen, der Landeswaldverband und die Familienbetriebe Land und Forst Baden-Württemberg an den Bundesminister gewandt und ihn zur Zustimmung zum Vorschlag des Europäischen Parlaments aufgefordert.
Zum Hintergrund:
Die EU-Verordnung zu den entwaldungsfreien Lieferketten verfolgt das grundsätzlich wichtige Ziel, die weltweite Entwaldung zu stoppen. Das Gesetz umfasst Kaffee, Kakao, Kautschuk, Palmöl, Rindfleisch, Soja und Holz sowie mehr als 800 aus diesen Rohstoffen hergestellte Produkte, wie Leder, Schokolade oder Papier. Die EUDR ist jedoch so angelegt, dass sie vor allem für die europäische Land- und Forstwirtschaft sowie die verarbeitenden Betriebe zu massiven bürokratischen Mehrbelastungen und -kosten führen wird. Hinzu kommen neue Haftungsrisiken, z.B. wenn bei Kontrollen erforderliche Unterlagen nicht vorliegen. Insbesondere für kleinere Betriebe und Waldbesitzer jeglicher Besitzart ist dieser Aufwand nicht zu leisten.
Die Europäische Kommission hat aufgrund der umfassenden, auch international geäußerten Kritik im Oktober eine Verlängerung der Umsetzungsfrist der EUDR um ein Jahr (30.12.2025 anstatt 30.12.2024) vorgeschlagen. Dem haben die Mitgliedstaaten zugestimmt. Das Europäische Parlament hat auf Antrag der EVP-Fraktion mit deutlicher Mehrheit einen weitergehenden Beschluss gefällt, der zusätzlich zu der einjährigen Verschiebung die Einführung einer Null-Risiko-Kategorie vorsieht für Länder, in denen über einen längeren Zeitraum keine Entwaldung stattgefunden hat. Diese inhaltliche Änderung würde für die heimischen Betriebe zu erheblichen Entlastungen führen. Gleichzeitig bliebe die Funktionsweise der Verordnung in Regionen mit offensichtlichen Entwaldungsproblemen unbeeinträchtigt. Der Beschluss erfordert nun aber eine erneute Zustimmung von Kommission und Rat. Diese Zustimmung muss noch in diesem Jahr erfolgen, weil ansonsten weder Verschiebung noch inhaltliche Änderungen rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Verordnung zum 30.12.2024 wirksam werden.